Von-Willebrand-Erkrankung und der vWD1-Gentest

Kurz vor Weihnachten 2017 wurde das Thema „Von-Willebrand-Erkrankung beim Kromfohrländer“ in den sozialen Netzwerken aufgegriffen und verbreitete sich sehr schnell. Es wurden zahlreiche Behauptungen aufgestellt, hier nur einige davon:

– es handele sich um eine angeborene, vererbbare Bluterkrankheit,

– sehr, sehr viele Kromfohrländer seien davon betroffen,

– der Erbgang beim Kromfohrländer sei autosomal-rezessiv,

– es gebe neueste genetische Erkenntnisse.

In einer sehr polemischen und Panik machenden Art möchte der Verfasser des Postings die Kromibesitzer „wachrütteln“. Aus den zahlreichen „Annahmen“ wird ein verfilmungswürdiges Szenario gestrickt, bestehend aus weiteren Behauptungen, Befürchtungen und letztendlich auch Empfehlungen. Einige verunsicherte Kromi-Besitzer lassen einen (fragwürdigen) Gen-Test durchführen, andere rufen zu diesem Gentest auf. Abwartende Hundehalter werden z.T. massiv angegangen. Doch kommen wir zurück zu den einzelnen Behauptungen und beleuchten diese.

Die von-Willebrand-Erkrankung ist keineswegs nur angeboren bzw. vererbbar, es sind auch zahlreiche, andere Ursachen für diese Symptome bekannt, u.a. Fehlfunktionen von Organen, Erkrankungen oder Medikamentengaben. Die Literatur spricht dann von einer erworbenen Form.

Das Wort „viele“ ist naturgemäß relativ und die Messlatte legt immer der Verfasser der Behauptung fest. Doch bei 12 Hunden mit Gerinnungsstörungen (aus 8 Würfen), die in der gesamten Population der letzten 15 Jahre aufgetaucht sind, von sehr, sehr vielen zu sprechen, kann man noch nicht einmal mit relativen Begriffen entschuldigen, es ist schlicht eine Unwahrheit und reiner Populismus. Des weiteren muss an dieser Stelle auch bemerkt werden, dass bei diesen Hunden keine ausreichenden Informationen vorliegen, z.B. welche Art der von-Willebrand-Erkrankung vorliegt (vWD1, vWD2 oder vWD3 – angeboren oder erworben). Übrigens ist der Typ 1 die mildeste Form, hier liegt ein quantitativer Mangel an von-Willebrand-Faktor vor (umgangssprachlich könnte man sagen, die Menge ist geringer). Wie in der Fachliteratur nachzulesen ist und wie von befragten Tierärzten bestätigt wird, treten bei diesem Typ keinesfalls die beschriebenen verblutenden Hunde auf, die Panikmache ist also völlig unbegründet.

Die Kenntnis eines Erbgangs ist eine wichtige Information und Voraussetzung für eine sinnvolle Zuchtlenkung und Wurfplanung, da sie risikoreiche Verpaarungen vermeiden lässt. Um einen Vererbungsweg zu erkennen, bedarf es aber im ersten Schritt einer zuverlässigen Diagnostik der Erkrankung. Die bisher bekannten Untersuchungen liefern leider häufig „tagesabhängige“ Ergebnisse und unterscheiden nicht unbedingt die Ursachen. Als weitere Voraussetzung wird in der Forschung immer eine ausreichende Datenbasis benötigt. Zwölf Hunde, von denen man noch nicht einmal weiß, welcher Typ der Erkrankung vorgelegen hat und ob es sich um eine genetisch bedingte oder erworbene Form handelte, reichen dazu eindeutig nicht aus. Die getroffenen Vermutungen über den Erbgang bleiben reine Spekulation und eignen sich keineswegs zur Zuchtlenkung bzw. Wurfplanung. Sie sind sogar kontraproduktiv, da sie den Genpool unnötig einengen.

Es wird von neuesten genetischen Erkenntnissen gesprochen, um zu suggerieren, dass es zum Thema von-Willebrand etwas Neues, ja sogar etwas Bahnbrechendes zu sagen gibt. Die hier angesprochenen Erkenntnisse beruhen aber auf Forschungen, die bereits vor mehr als einem Jahrzehnt bekannt waren, und auf einer Studie, die im Jahr 2016 veröffentlicht wurde. In dieser Studie wird eine Untersuchungs- bzw. Screeningmethode beschrieben. Laienhaft kann man sagen, dass zahlreiche, für diverse Rassen wichtige Genmutationen an allen eingesendeten Proben (unabhängig von der Rassezugehörigkeit) geprüft worden sind. Wer bereits Untersuchungsergebnisse von MyDogDNA gesehen hat, kennt die lange Liste der Genmutationen, die für Krankheiten bei einzelnen Rassen verantwortlich gemacht werden. Hinter jedem Test steht, bei welcher Rasse dieser Gendefekt zu einer Erkrankung führt. Warum ist das so? Ganz einfach, weil die gleichen Genmutationen bei den verschiedenen Rassen unterschiedliche Auswirkungen haben können bzw. weil die gleiche Erkrankung rassespezifisch auf anderen Genorten liegen kann. Bestes Beispiel dafür ist unser HFH-Gen-Test, der nur beim Kromfohrländer und dem Irish Terrier funktioniert, aber nicht bei anderen Rassen. Nun haben aber diejenigen, denen offensichtlich weniger das Wohl der Rasse als vielmehr Wichtigtuerei und Panikmache wichtig sind, den Gentest für von-Willbrand Typ 1 (vWD1) „geadelt“ und beim Kromi für „aussagekräftig“ erklärt, dies teilweise auch in der Anonymität des Netzes.

Dass dieser Nachweis für die Gültigkeit (man nennt diesen Vorgang Validierung) des vWD1-Gentests beim Kromfohrländer nicht vorliegt, erkennt man daran, dass z.B. das Labor Laboklin ausdrücklich einen Haftungsausschluss unter dem Ergebnis aufführt. Aus diesem ist ersichtlich, für welche Rassen der Gentest zu interpretierbaren Ergebnissen führt. Der Kromfohrländer gehört nicht zu diesen Rassen. Uns liegen für die Labore Genoscoper, Laboklin, Feragen und Certagen Aussagen vor, dass eine Validierung des vWD1-Gentests für den Kromfohrländer ebenfalls nicht vorliegt. Somit sind die Ergebnisse für den Kromfohrländer nicht interpretierbar.

Auch aus diversen Postings in den sozialen Medien ist dies herauszulesen, man muss es nur können und vor allem auch wollen. Schauen wir uns die Stellungnahme von Laboklin, die von einigen als Beweis für die Gültigkeit des vWD1-Gentests für den Kromi angesehen wird und im Netz frei verfügbar ist, genauer an (entscheidende Stellen sind unterstrichen):

Der genetische Test auf die von-Willebrand-Erkrankung Typ I (vWD1) erfasst eine genetische Variante, welche für einige Rassen als ursächlich für die Symptome der Erkrankung beschrieben ist. „Einige Rassen“ bedeutet, dass die Genvariante nicht bei allen Rassen zur Erkrankung führt, dies ist eine Differenzierung nach Rassen.

Für den Kromfohrländer kann man diesen genetischen Test ebenfalls durchführen. Man kann, keine Rede von man soll (Empfehlung) oder man muss (Dringlichkeit).

In diesem Fall wird die genetische Variante mit der hohen Zuverlässigkeit eines genetischen Tests analysiert. Die hohe Zuverlässigkeit des Tests bezieht sich auf die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse dieser Methode, d.h. wird mit einem Metermaß immer wieder die Länge gemessen, bekommt man für jede Messung ein reproduzierbares bzw. zuverlässiges Ergebnis. Der Wert gilt aber nur für die Länge/Größe, nicht für das Gewicht. Dafür braucht man nämlich eine Waage.

Das Auftreten der Mutation lässt sich in der Rasse Kromfohrländer jedoch bisher nicht mit Symptomen der Erkrankung korrelieren. Nochmal der ausdrückliche Hinweis, dass die Ergebnisse für den Kromfohrländer nicht interpretiert werden können.

Verschiedene Labore, darunter Laboklin, bieten den Test für die Rasse Kromfohrländer auf ausdrücklichen Wunsch hin an. Bisher fehlen jedoch genaue Studien zur Korrelation der gefundenen Genotypen mit der tatsächlichen Erkrankung. Damit gibt der Test bisher nur und ausschließlich den genetischen Status wieder. Dieser Abschnitt wiederholt die Aussagen der letzten Sätze nochmal. Auf „ausdrücklichen Wunsch“ bedeutet in der Laborwelt (aus der ich selbst komme): „man hat den Kunden aufmerksam gemacht, dass der Test für die Fragestellung nicht gilt bzw. nicht anwendbar ist, aber der Kunde wollte die Untersuchung trotzdem“. „Ausschließlich genetischer Status“ bedeutet: Wert ermittelt, Interpretation nicht möglich.

Es ist schon sehr verwunderlich, dass diese Stellungnahme von Laboklin von manchen zur Bestätigung der Gültigkeit des vWD1-Gen-Tests für den Kromfohrländer verwendet wird, da sie genau das Gegenteil ist.

Nachdem Sie nun aber so viel zu Behauptungen und deren Widerlegung gelesen haben, wird Sie bestimmt interessieren, wie der RZV derzeit zu der Thematik steht.

Wir empfehlen den vWD1-Gentest beim Kromi derzeit NICHT! Warum? Man sieht, wozu ein nicht validierter Test führen kann, wenn die Ergebnisse nicht richtig und/oder laienhaft interpretiert werden.

Stellen Sie sich einmal folgende Situation vor: Ihr Hund muss operiert werden (was wir nicht hoffen) und Sie teilen dem Arzt mit, der Gentest auf vWD1 war positiv und Ihr Hund ist ein Merkmals- oder ein Anlageträger. Der Mediziner hinterfragt nicht die Richtigkeit Ihrer Aussage. Da der Vererbungsweg (dominant oder rezessiv) nicht bekannt ist, geht der Tierarzt kein Risiko ein und verabreicht prophylaktisch ein blutungshemmendes Mittel. Als Folge dieser Verkettung könnte Ihr Hund ein Blutgerinnsel bekommt und aus der Narkose nicht mehr aufwachen. Sie glauben, dies ist unwahrscheinlich? Leider nicht! Aus dem Cystinurie-Forschungsprojekt können wir einen Fall schildern, bei dem ein Ultraschall der Blase verbunden mit der Bemerkung der Besitzerin, dass beim Kromfohrländer Cystinurie auftritt, zu der direkten Diagnose Cystinsteine geführt hat. Erst auf Rückfragen und nach weiteren Tests wurde die Diagnose korrigiert. Es waren Struvit-Kristalle, die durch eine Ernährungsumstellung einfach zu beseitigen waren.

Doch was wäre vor einer Operation richtig und/oder notwendig? Sprechen Sie Ihren Tierarzt einige Tage vor der OP auf einen Test bezüglich Gerinnungsstatus an. Nur so weiß der Mediziner, was ihn während der OP erwartet. Er kann sich richtig vorbereiten und angemessen reagieren. Unsere Tierärztin führt diesen Test übrigens standardmäßig vor OPs durch.

Fassen wir nochmal zusammen:

– eine von-Willebrand-Erkrankung kann zahlreiche Ursachen haben, nicht nur genetische

– Typ 1 ist die mildeste Form

– beim Kromfohrländer gibt es hinsichtlich der von-Willebrand-Erkrankung keine Auffälligkeiten, für die betroffenen Hunde liegen bisher keine Ergebnisse hinsichtlich der Ursache der Gerinnungsstörung und keine Bestimmung des vWD-Typs vor,

– es gibt keine neuesten genetischen Studien, die die bisherige Vorgehensweise in Frage stellen,

– das Ergebnis des Gentests auf vWD1 kann beim Kromfohrländer (derzeit) nicht interpretiert werden.

Unter diesen Umständen ist die Berücksichtigung der Ergebnisse des vWD1-Gentests in der Zuchtplanung derzeit kontraproduktiv, da sie den Genpool unnötig einengt. Die Anzahl der erkrankten Hunde (mit der Ungewissheit, welcher Typ vorgelegen hat), das Krankheitsbild und die genannten Fakten zum vWD1-Gentest rechtfertigen einen Eingriff in die Zuchtlenkung (derzeit) nicht.

Natürlich beobachten wir im Zuchtausschuss und im Vorstand ständig neue Entwicklungen, sind mit Laboren und Wissenschaftlern vernetzt, überdenken derzeitige Regelungen und erarbeiten neue, um die Risiken zu minimieren. Doch zu seriöser Arbeit gehört eben dazu, sich umfassend zu informieren, zu recherchieren, sich der Vor- und Nachteile von Entscheidungen bewusst zu sein. Denn wir tragen Verantwortung. Postings zu erstellen und mit likes zu versehen überlassen wir gerne anderen.

1.Vorsitzender